WETTBEWERBSBEITRAG
AIV-SCHINKEL-PREIS 2024
FREIE KUNST
2024
LOAN GOTTWALD
HANS NAGEL
JANNES SCHMIDT
In dem Kurzfilm begegnet man zwei sich unterhaltende Personen auf einem Spaziergang durch Berlin. Sie laufen durch eine Szenerie verschiedener Quartiere und Gebäude eines einzigen Wohnungsunternehmens und sprechen über die angespannte Wohnungssituation. Dabei stellen sich im Gespräch schnell die unterschiedlichen Rollen der beiden Personen heraus. Während dieneine Person die Zukunftsinteressen der Vermieter:innen widerspiegelt und nebenbei noch versucht eine Wohnung aus ihrem Besitz anzubieten; repräsentiert die andere Person die Wünsche und Vorstellungen für die Zukunft der Mieter:innen. Das Gespräch ist nicht ganz eindeutig. Sie reden teils aneinander vorbei oder hören sich gar nicht richtig zu. Sie versuchen beide eine Vision für die Zukunft des Wohnungsmarkts in Berlin zu skizzieren, ihre Wünsche und Bedürfnisse sind jedoch zu weit voneinander entfernt. Während die auf Seite der Mieter:innen stehende Person sich eine Veränderung im Umgang mit den bestehenden Wohnungen wünscht („Es muss sich doch was ändern!“), möchte die zweite Person, dass alles so bleibt wie es ist („Die Zukunft liegt nicht weit von der Gegenwart.”). Nach dem im Laufe des Gesprächs die unterschiedlichen Ziele der beiden Personen zum Vorscheinkommen, stellt sich die Frage, welche dieser beiden Zukunftsvisionen die positivere ist. Um das zu beurteilen, fehlen den Personen jedoch zwei Definitionen für diese Vision: Was bedeutet eigentlich der Begriff ”positiv“? Und für wen soll sie positiv sein? In einem ruhigen Moment auf einer Bank wird kurz über diese beiden Definitionen nachgedacht, bevor die Gedanken mit der Erkenntnis, dass die Entscheidung nicht bei einem selbst liegt, abgebrochen werden. So kann der Spaziergang “befreit” von dieser Entscheidungslast und mit einem Lied im Ohr weitergeführt werden.
Das filmische Stilmittel des One-Shots dient dazu, die verschiedenen Gebäude und Quartiere des einen Unternehmens nahtlos aneinander zu reihen, um so die Größe zu verdeutlichen. Durch das Mitlaufen der Kamera und die versteckten Schnitte bekommt man das Gefühl, dass die Protagonist:innen und die Betrachter:innen selbst durch eine ganze Stadt laufen, die nur aus dem Besitz des Unternehmens besteht. Ohne die Darstellung von Farbe wird der Blick gezielt auf die baulichen Strukturen der Quartiere und ihre unterschiedlichen Erscheinungsweisen gelenkt. Des Weiteren, wird so ohne einen visuellen Stimmungswechsel das Gefühl eines fortlaufenden Spazierganggangs verstärkt. Nur aufgrund der unterschiedlichen Umgebungsgeräusche wird verdeutlicht, dass man unbemerkt die Szenerie gewechselt hat.
Der zweite Teil der Arbeit ist ein “Entscheidungsbaum”. Bei diesem kann die eigene Wohnsituation anhand von verschiedenen Fragen reflektiert werden. Schlussendlich laufen jedoch fast alle Stränge wieder in einem Feld zusammen: “Alles bleibt beim Alten”. Dies scheint zunächst ein negatives Ende zu sein. Es ist tatsächlich nur die Konsequenz daraus, dass die Entscheidungsmacht nicht bei den Bewohner:innen liegt. „Alles beim Alten” ist für viele eine sehr positive Zukunftsperspektive. Jedoch bleibt die Frage, ist es gerecht, dass die Bewohner*innen kein Mitspracherecht haben?